Der Mensch hält und züchtet seit über 10000 Jahren Tiere als Nutztiere. Im Laufe der Zeit haben sich durch bewusste Selektion auf die Gegebenheiten einer Region oder auf eine bestimmten Nutzung optimal angepasste Rassen gebildet. Verstärkt seit dem letzten Krieg werden aber nur noch wenige, stark spezialisierte Rassen in der Landwirtschaft gehalten. Zahlreiche Nutztierrassen sind in Deutschland bereits verschwunden. Mit jeder verlorenen Rasse geht auch ein wertvolles genetisches Potential verloren, es ist ein unwiederbringlicher Verlust eines Kulturgutes und eine Einschränkung unserer Lebensmittelgrundlagen.
Sowohl die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (ble.de), als auch die GEH (g-e-h.de) geben jährlich eine „Rote Liste“ der gefährdeten Nutztierrassen heraus. Fachleute weisen den Tierrassen die Gefährdungskategorien „extrem gefährdet“, „stark gefährdet“, „gefährdet“, „Bestandsbeobachtung“ und „nur noch Einzeltiere“ zu. Eine Rasse wird als gefährdet bezeichnet, wenn der Bestand die Mindestanzahl (Pferde, Schweine, Ziegen, Esel: 5000 Tiere; Schafe: 1500 Tiere; Rinder: 7.500 Tiere) unterschreitet und sich über einen Zeitraum von zwei Jahren durchschnittlich um mindestens 10 % verringert.
Im Folgenden wird die Problematik an Hand einiger Beispielen erläutert:
Original Allgäuer Braunvieh
Die Vorfahren des Braunviehs stammen aus dem Kaukasus. Es kam wohl vor ca. 1000 Jahren in die Alpen. Die Zuchtarbeit begann vor rund 600 Jahren in der Zentralschweiz, in Deutschland stand es vorwiegend im bayrischen und württembergischen Allgäu. Als typische Dreinutzungsrind (Arbeit, Milch und Fleisch) war es so gefragt, dass es Auswanderer im 19. Jahrhundert mit nach Amerika nahmen. Dort ging die Selektion weiter und das Rind kam als das sogenannte „Brown Swiss“ in den 60.iger Jahren zurück nach Deutschland. Hier verdrängt es die alten Rassen und so gab es in den 80.-iger Jahren nur noch wenige Tiere. Durch die private Initiative einiger weniger Züchter wurden die letzten noch reinen Blutlinien gerettet, erhalten und weitergezüchtet. Heute gibt wieder 264 Muttertiere und 15 Bullen (Stand 2015).
Das Original Braunvieh ist „Bedrohte Nutztierrasse des Jahres“ 2016. Im bayrischen Allgäu koordiniert der Allgäuer Original Brauntierzuchtverein e.V. (originalbraunviehzuchtverein.de), im baden-württembergischen Allgäu der Arbeitskreis Allgäuer Braunvieh e.V. (ak-allgaeuer-braunvieh.de) die Zuchtarbeit.
Bentheimer Schwein
Das Bunte Bentheimer Schwein stammt aus der Grafschaft Bentheim und dem Emsland. Es hat über den ganzen Körper verteilt größere schwarze Flecken. Sein Fleisch hat einen hohen intramuskulären Fettanteil, was das Fleisch besonders lecker macht.
Mit dem Wirtschaftswunder änderten aber sich die Essgewohnheiten der Deutschen. Fettarmes Fleisch war gefragt, „fette“ Rassen wie das Bunte Bentheimer Schwein gerieten ins Hintertreffen. Auch die Wirtschaftsweise änderte sich: Statt kleiner Bauernhöfe spezialisierten sich auch die Bauern, wenige „Wirtschaftsrassen“ verdrängten die anderen. In den 90.-iger Jahren gab es praktisch nur noch einen einzigen Züchter, der den ganzen Restbestand der Rasse hielt. Inzwischen gibt es wieder mehr Liebhaber dieser alten Rasse und 2014 wurden schon wieder 410 Herdbuchsauen und 90 Eber in Deutschland gezählt.
Der „Verein zur Erhaltung des Bentheimer Schweines e.V.“ koordiniert die Zuchtarbeit und führt das Herdbuch. (bunte-bentheimer-schweine.de)
Vorwerk-Hühner
Ab 1900 züchtet Oskar Vorwerk in Hamburg eine Haushuhnrasse, das nach ihm benannte Vorwerkhuhn. 1912 wurde die Rasse erstmals öffentlich zur Junggeflügelschau in Hannover vorgestellt. Es ist in ganz Europa verbreitet und ein klassisches Zweinutzungshuhn. Das heißt, es hat neben guter Legeleistung auch einen guten Schlachtkörper.
Vorwerkhühner haben einen kräftigen Körperbau in gedrungener, abgerundeter Landhuhnform. Die Läufe sind schieferblau und nicht zu kräftig. Auf dem Kopf haben die Tiere einen Einfachkamm. Diese Rasse stellt keine besonderen Haltungsanforderungen und zeichnet sich durch ein ruhiges und zutrauliches Wesen aus